Samstag, 24. Oktober 2009

Buchempfehlung: "Angriff auf die Freiheit"

Die letzten Monate waren turbulent, was das Thema Datenschutz und Bürgerrechte anbelangt. Beschränkte sich der Protest gegen Hackerparagraphen, Onlinedurchsuchung, Vorratsdatenspeicherung, BKA-Gesetz, RFID in Reisepässen und Fingerabdrücken in Personalausweisen vor allem auf die üblichen Bürgerrechtsgruppen, war bei der Internetzensur offenbar das Maß voll. Die Geeks gingen auf die Straße, und eine bis dahin als unbedeutender Spinnerverein belächelte Partei schaffte aus dem Stand heraus 2 Prozent bei der Bundestagswahl. Nun sind 2 Prozent kein politisches Erdbeben, selbst die SPD schafft noch mehr, bemerkenswert ist aber die mediale Aufmerksamkeit, die der Protest bekam. Offenbar haben weit mehr als die Wähler der Piratenpartei das Gefühl, dass es die Regierungen mit ihrem Kontrollwahn zu weit treiben.

In diese Stimmung hinein passt "Angriff auf die Freiheit". Juli Zeh und Ilja Trojanow, deren Schwerpunkt bisher eher auf Romanen lag, versuchen sich am politischen Sachbuch, und es gelingt ihnen auf Anhieb ein Standardwerk.

Wer die Diskussion um digitale Bürgerrechte der letzten Jahre verfolgt hat, wird nicht viel Neues finden, aber er findet das Bekannte ungewöhnlich kompakt und gut analysiert. Allein schon die 28 Seiten Anmerkungen am Ende des Buches sind eine wertvolle Quellensammlung, wenn man für eine Diskussion noch einmal herausfinden muss, wo die vielen Zahlen und Zitate, die einem im Kopf herum schwirren, genau herkommen.

Immer wieder dreht sich das Buch um Sprache. Sprache, die Terroristen die Menschenrechte verweigert. Sprache, die Technokratie mehr Wert einräumt als Demokratie. Sprache, die nicht mehr zwischen Verdächtigen und überführten Verbrechern unterscheidet. Sprache aber auch, mit der sich die Sprecher ungewollt entblößen - wie beispielsweise Wolfgang Bosbach, der noch 2007 E-Mails als "modernste IT-Technik" (Wofür steht eigentlich das "T" bei "IT?) ansah.

Die Sprache zeigt vor allem eins: Den Sprechern ist es völlig egal wie lächerlich sie sich bei denen machen, die ihnen genauer zuhören, so lange beim oberflächlichen Zuhörer der Eindruck hängen bleibt: "Mensch, der hat ja Recht. Wir brauchen unbedingt mehr Überwachung." Da stört es auch nicht weiter, wenn Jörg Ziercke seine Forderung, die Festplatten privater Computer durchsuchen zu können, mit "skrupellosen Kriminellen [die] ins Internet ausweichen" begründet, was mit lokalen Festplatten rein gar nichts zu tun hat. Ebenso findet es niemand daran, dass die mit herkömmlicher Technik erzielten Fahndungserfolge als Argument für weitere Handlungsbefugnisse herhalten müssen.

Zeh und Trojanow haben viele Zitate gesammelt und zerpflücken sie nacheinander. Dabei schlagen sie zwar einen scharfen Tonfall an, halten sich aber mit Polemik zurück. So bleibt am Ende ein engagierter Appell, sich gegen die ausufernde Staatsmacht zur Wehr zu setzen, der umso glaubwürdiger wirkt, weil die beiden Autoren stilistisch auf dem Teppich blieben.

"Angriff auf die Freiheit" eignet sich sowohl für Einsteiger, die sich einen Überblick verschaffen wollen, als auch für Leute, die sich schon lange im Thema bewegen und eine gut geschriebene Argumentationshilfe brauchen.



Ilja Trojanow, Juli Zeh: Angriff auf die Freiheit. Sicherheitswahn, Überwachungsstaat und der Abbau bürgerlicher Rechte. Hanser, 14,90 €.