Montag, 9. April 2012

Obsolete Dreckstechnik Teil 1 - Die Caps-Lock-Taste


Im Alter wird man mild und weise, heißt es. Angesichts der Großen Reise, die man nun bald anzutreten im Begriff ist, sieht man gnädig über diverse irdische Widrigkeiten hinweg, denkt holistischer, erkennt, dass die globalen Zusammenhänge, die nun im Lichte über Jahre gewachsenen Wissens immer klarer erkennbar werden, so wichtig sind, dass es nicht lohnt, sich in Details zu verlieren.

Blödsinn. Ich bin der verbitterte Alte, der mit seinem Gehstock auf der Parkbank sitzt und mit Erdklumpen nach Radfahrern wirft - einfach, weil er sie nicht leiden kann.

In diesem Sinne habe ich mir erlaubt, eine Liste von Technologien zu erstellen, die hemmungslos überholt sind, nie richtig funktioniert haben oder es aus einem anderen Grund verdienen, sofort ihren Platz auf dem Müllberg einzunehmen, aber aus nicht nachvollziehbaren Gründen penetrant weiter eingesetzt werden, was für mich ein weiteres Indiz darstellt, dass dieser Planet von Deppen geführt wird.

Die Caps-Lock-Taste


Hand hoch: Wer mit einem IQ jenseits der Feuerqualle hat diese Taste in den vergangenen Jahrzehnten ernsthaft benutzt? Sie in der vierten Reihe? Lassen Sie den IQ noch einmal messen. Auf meiner Tastatur ist Caps-Lock hinter Space, Return und Backspace die viertgrößte Taste. Benutzt habe ich sie in den vergangenen drei Jahrzehnten exakt einmal, als ich mit zwischen Schulter und Wange eingeklemmtem Telefonhörer und Kugelschreiber in der Rechten mit der linken Hand ein Drei-Buchstaben-Kürzel eingeben wollte und zu faul war, den Kugelschreiber hinzulegen. Berührt habe ich diese Taste hingegen millionenfach, und stets war die Auswirkung die gleiche: Adrenalinausstoß, das Getippte löschen, Caps-Lock zum Entsperren drücken und noch einmal schreiben.

Wer nach dem Schreibmaschinenzeitalter geboren wurde, hat im Zweifelsfall nicht die leiseste Ahnung, wozu diese Taste gut sein soll, und selbst wer wie ich noch das sinnliche Vergügen genießen durfte, an einer majestätisch brummenden IBM-Kugelkopfschreibmaschine sitzend perfekt geformte Tasten drückend das Maschinengewehrrattern ganzer Weltkriege herauf zu beschwören, das dann, den Widerspruch kaum ahnend, sich auf dem Papier in Form eines Flugblatts gegen die Pershing-2-Stationierung in Westdeutschland niederschlug, dürfte sich nur mit Mühe an die wenigen Momente erinnern, in denen er die Sperrtaste benutzt. Das war übrigens auch den Konstrukteuren solcher Tastaturen klar, und so übernahmen sie den aus der Ära der Hebelschreibmaschinen stammenden deutlich höheren Druckwiderstand dieser Taste sogar in die frühe PC-Generation. Wer damals versehentlich auf Caps-Lock kam, spürte sofort, dass da etwas falsch war und ließ los, bevor die Taste einrasten und ihr unheilvolles Werk beginnen konnte. Heute hingegen werden Tastaturen von Rechnungsprüfern und vollgekifften Designstudenten zusammengekloppt, Leuten also, die selbst von Maus und Tatschskrihn intellektuell völlig überfordert sind, was zu so absurden Tastenlayouts führt wie daumenkuppengroßen Space- mit direkt daneben liegenden Windows-Tasten, auf denen zur Not ein Helikopter landen kann, was einzig der Präsentation des Produktlogos dient und ansonsten allenfalls die Frage beantworten hilft, wieviel Stresshormone der menschliche Körper pro Minute maximal ausstoßen kann. Einzig diese Leute sollten wenigstens der Theorie nach erklären können, warum sie im Zeitalter der Säkularisierung eine heilige Furcht verspüren, diese komplett sinnlose Taste bei der nächsten Layoutüberarbeitung einfach weg- und meinetwegen Shift doppelt so groß ausfallen zu lassen. Natürlich können sie es nicht erklären. Statt dessen sehen sie lieber zu, wie sie Tatstaturkappen abflachen, damit man nicht mehr genau sagen kann, wo genau sich der Finger befindet. Das sieht zwar wahnsinnig steilisch aus, und Medienzombies mit Bättschlä in Aatdisein können damit vielleich ganz toll an ihren Projekten arbeiten, aber wer sein Geld verdient anstatt es zu bekommen, runzelt bei solchem Firlefanz nur die Augenbrauen.

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