Donnerstag, 11. April 2013

Datenrettung durch Bombenalarm

Was ist das optimale Vorgehen, wenn man sein Dienstnotebook im Zug hat liegen lassen und das wenige Minuten nach Verlassen des Zuges feststellt?

Kurze Antwort: Man geht in den Laden und kauft ein neues.

Lange Antwort: Der Fall, dass man auf irgendeine Weise mit dem Personal Kontakt aufnimmt, ist in den Arbeitsabläufen der Deutschen Bahn AG offenbar nicht vorgesehen. Es scheint so, als sei ein einmal auf die Reise gegangener Regionalzug ungefähr so autark wie eine V2-Rakete, die, einmal auf Kurs gebracht, unentrinnbar ihr Ziel verfolgt und nur durch einen technischen Defekt oder einen Abfangjäger aufgehalten werden kann. Zumindest gibt es keine Möglichkeit, bei der Bahn anzurufen und zu sagen: Achtung, ich habe da im Zug etwas vergessen, schickt doch bitte eine Zugbegleiterin oder meinetwegen am nächsten Bahnhof eine Servicemitarbeiterin los, damit sie das gute Stück sicherstellt. Im Jahr 2013, nicht 1944. Im Zeitalter der mobilen Kommunikation. Jeder der 300 Zuginsassen hat mindestens ein Telefon in der Tasche, nur der Typ vorn in der Lok ist komplett von der Außenwelt abgeschnitten und holt sich erst beim Erreichen des Endbahnhofs mittels Feldtelefon die neuesten Anweisungen von der zentralen Reichsbahnleitstelle Berlin ab? Statt Kontakt mit dem Zug aufzunehmen, verlangt die Bahn, dass man die 0900-Nummer des unternehmeneigenen Fundbüros anruft – aus einem Firmennetz heraus, das diese Vorwahl generell sperrt, unmöglich. Nun gibt es glücklicherweise im Internet Seiten, welche die hinter einer solchen Nummer stehenden normalen Rufnummern auflisten. So kommt man wenigstens in Kontakt mit der Fundstelle der Bahn – leider nicht ganz die richtige Ansprechpartnerin, wenn man davon ausgehen muss, dass der verlorene Gegenstand noch unterwegs ist und ganz bestimmt noch nicht gefunden wurde. Das sehen die entsprechenden Callcenterfachkräfte nach einigem Zureden auch ein und rücken am Ende ein paar andere Rufnummern heraus, bei denen man sein Glück versuchen kann. Sie können sich vorstellen, was passiert: Die Leute hinter diesen Rufnummern versuchen zuerst, einem die 0900-Nummer der Fudstelle aufzuschwatzen und lassen sich nur mit äußerster Mühe davon überzeugen, dass man gerade von diesen Leuten hierher verwiesen wurde und am liebsten einfach an das Personal im Zug oder dem nächsten Bahnhof eine dringende Nachricht loswerden möchte. Nachdem man fünfmal herumgereicht wurde, tritt wahrscheinlich der Fall ein, der in Netzwerken als TTL bezeichnet wird: Nach Überschreiten einer bestimmten Zahl Weiterleitungen gibt man auf.

Der Bahnhof, mögen Sie jetzt einwenden. Am Bahnhof können sie doch auch sagen, ob ein Zug pünktlich ist und warum er sich verspätet. Offenbar gibt es also irgendeine Art von Kommunikation. Um auch diese Hoffnung zu zerschlagen: Selbst dort kann oder will man mit den Zügen keinen Kontakt aufnehmen. Als Ergebnis bleibt ein teures Notebook mit Zusatzhardware verschwunden.

Zum Abschluss ein Gedankenexperiment: Was wäre, wenn man den Verlust der auf dem Rechner gespeicherten Daten lieber in Kauf nähme, als dass die Maschine in falsche Hände geriete? Achtung, das Folgende ist eine Straftat und sollte keinesfalls über das Stadium eines Gedankenexperiments hinaus gehen: Wenn jemand am Bonner Bahnhof eine blaue Sporttasche abstellt, hat man Minuten später ein SEK da, das sich um das Ding kümmert, und ich möchte wetten, dass ein entsprechender Anruf bei der Polizei reicht, und es findet sich ganz überraschend doch eine Möglichkeit, mit dem Zug in Kontakt zu treten.

Warum geht so etwas nicht, um ein simples Notebook zu retten?

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