Sonntag, 25. Mai 2014

Pecuniam olet

So leid es mir tut, ich muss einen meiner persönlichen Superhelden mit Dreck beschmeißen:

Jake, so funktioniert das Spiel nicht.

Ich halte dich für eine der ganz großen Lichtgestalten der digitalen Bürgerrechtsszene. Du hast mit Tor ein Werkzeug geschaffen, das in weiten Teilen der Welt wenigstens so etwas Ähnliches wie freie Internetnutzung überhaupt erst ermöglicht. Du setzt Dich mit einer Kompromisslosigkeit für Menschenrechte ein, für die ich großen Respekt und Bewunderung empfinde. Was du aber beim Henri-Nannen-Preis anstellst, halte ich für ausgemachten Blödsinn.

Als Reich-Ranicki seinerzeit den Deutschen Fernsehpreis ablehnte, war das ja noch irgendwie ganz putzig. Da stand ein verwirrter alter Mann auf der Bühne, der offenbar zu dumm gewesen war, sich vorher über den Preis zu informieren, den er überreicht bekommen sollte. Was folgte, war ein peinliches Geschwafel, das den Bildungsonanierern des deutschen Feuilletons die Freudentränen in die Augen trieb: Endlich gibt's mal einem diesem Fernsehen, diesem Menetekel westlich-abendländischer Unkultur. Wussten wir doch, dass dieser Verblödungsapparat uns alle ins Verderben treibt, wie seinerzeit die Comics und die Jazzmusik. Die Frage, warum ihm diese ganzen Erkenntnisse erst auf der Bühne und nicht vorher gekommen waren, wagte kaum jemand zu stellen. So einer wie Reich-Ranicki, der liest Thomas Mann. Der verschwendet seine Zeit nicht damit, die Aufzeichnung der letzten Verleihung des Deutschen Fernsehpreises anzusehen.

Du, Jake, hingegen bist 31 - zu alt, um noch als pubertierender Teenie durchzugehen, zu jung, um Uninformiertheit mit Altersstarrsinn oder Verwirrtheit erklären zu können. Du hattest alle Möglichkeiten, nachzusehen, wer Henri Nannen war und ob du einen nach ihm benannten Preis entgegennehmen kannst. Bereits die Entscheidung, ihn abzulehnen, kann ich schon kaum nachvollziehen. Während des Dritten Reichs waren praktisch alle Deutschen Nazis. Die wenigen, die es nicht waren und es überlebten, haben in den seltensten Fällen noch einen Preis gestiftet. Bei der weit überwiegenden Mehrheit stellt sich die Frage, wie sie nach dem Krieg mit der Schuld, die sie zweifelsohne auf sich geladen haben, umgingen. Die meisten von ihnen logen sich irgendetwas in die Tasche, sie wären ja eigentlich alle im Widerstand gewesen. Henri Nannen hingegen hat sich wenigstens offensiv mit seiner Rolle auseinander gesetzt. Ob dir das ausreicht, musst du natürlich selbst entscheiden, aber du hättest es entscheiden können, bevor du den Preis annahmst.

Statt dessen hast du den Preis angenommen, dich nachträglich entschieden, das für einen Fehler zu halten, das Preisgeld aber dankend eingestrichen. Ja, gut, du willst es antifaschistischen Organisationen spenden, aber das ändert nichts daran, dass du die mit dem Preis verbundenen Annehmlichkeiten sehr wohl annimmst, von allem anderen aber nichts mehr wissen willst.

Jake, so funktioniert das Spiel aber nicht. Wenn es schmutziges Geld eines ehemaligen Nazipropagandisten ist, dann muss man den Mumm besitzen, es nicht anzunehmen. Was du gerade veranstaltest, ist ein peinliches Herumlavieren, das mich ein wenig an eine Horde Konfirmanden erinnert, die zwar herzlich gern von Verwandten und Freunden Geschenke einstreichen, aber den ganzen Firlefanz mit Taufe, Segen, Gottesdienst, Konfirmandenunterricht und Kirchenmitgliedschaft nicht haben wollen. Entweder hü oder hott - das gilt für 14-jährige Konfirmanden genau so wie für einen der größten lebenden Internetaktivisten.

Du warst schon so oft vorbildhaft und bis an die Schmerzgrenze konsequent. Bitte sei es auch diesmal.

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