Mittwoch, 17. Mai 2017

Wuchtig tönendes Wischiwaschi

Bei drei Wahlen abgestraft, dazu bei einer in Nordrhein-Westfalen, dem Bundesland, in dem die SPD ähnlich wie die CDU in Bayern sich einst nur fragen musste, wie hoch, nicht ob sie gewinnt. Die Bundestagswahl rückt deutlich näher, und man muss kein Hellseher sein, wenn man behauptet: Eher schafft es Mario Barth, einen lustigen Satz zu sagen, als Martin Schulz es in die Nähe des Kanzleramts.

Von Reflexionsfähigkeit ist in der SPD nicht viel zu sehen. OK, der Fairness halber sei gesagt, dass Hannelore Kraft nicht lang gefackelt und gleich am Wahlabend alle Parteiämter niedergelegt hat. Ganz anders Amtskollege Thorsten Albig. Der brauchte satte 10 Tage, um dann mit der sauertöpfischen Bemerkung, er werde, um "jedweder weiteren substanzlosen aber dennoch für mich und mein persönliches Umfeld ehrverletzenden Unterstellung der Vermischung öffentlicher und privater Interessen den Boden zu entziehen", das Handtuch werfen. Ich weiß ja nicht, wie intensiv dieser Mann sein eigenes Geschwätz und dessen Auswirkungen ignoriert, aber wenn er einen Blick auf die Umfragewerte wirft, wir es sehen, wie sehr sie nach der unsäglichen "Bunte"-Homestory durchsackten, in der er erklärte, wie er sich von seiner vorherigen Frau trennte, weil sie als Hausfrau und Mutter nicht mehr mit ihm auf Augenhöhe reden konnte. So etwas kann man denken, man kann es unter Vertrauten sagen, aber man darf nicht die Blödheit besitzen, es in einem auflagestarken Klatschblatt drucken zu lassen. Ich hoffe zwar und gehe auch davon aus, dass dieses Interview nicht der alleinige Grund war, warum Albig abgewählt wurde, aber  es war mit Sicherheit ein Grund, warum es so heftig ausfiel.

Insgesamt scheint die SPD nicht zu begreifen, was die Leute an ihr so wenig leiden können, dass selbst die CDU für sie wie eine Alternative erscheint. Zum Glück stolperte ich in dieser Woche über einen Tweet, der die ganze Unerträglichkeit der deutschen Spezialdemokratie in wenigen Zeichen zusammenfasst.

Wir lehnen die Vorratsdatenspeicherung nach wie vor grundsätzlich ab - jetzt Ausweitung verhindern!

Fast hört man das Großmaul von Sigmar Gabriel vom Rednerpult dröhnen, selbstgefällig, aufgeblasen, vor Ehfurcht der eigenen Wichtigkeit gegenüber kaum zu reden fähig. Nun käme der oben zitierte Satz niemals von ihm, weil Gabriel ganz feuchte Hände bekommt, wenn er nur an den Überwachungsstaat denkt. Die Rhetorik hingegen ist die gleiche. Der erste Satz: Schaut her! Ecce homo! No pasaran! Kampf bis zum letzten Mann. Und dann der zweite: Was kümmert uns unser Geschwätz des letzten Satzes? Wir weichen zurück! Tapfer! Alle voran zum Rückzug!

Wahrscheinlich bekommen die Wichtigtuer von d64 die Erbärmlichkeit, die vollendete Lächerlichkeit ihres Zwergenaufstands gar nicht selber mit. Wahrscheinlich merken sie gar nicht, dass "grundsätzliche Ablehnung" und "Ausweitung verhindern" miteinander, wenn schon nicht unvereinbar, dann doch sehr schwer in Einklang zu bringen sind. Ich kann nicht auf der einen Seite etwas grundsätzlich ablehnen, um mich im nächsten Satz damit abzufinden und nur zu fordern, dass es nicht noch schlimmer wird. Gerade die Digitalexperten von d64 sollten wissen, dass Vorratsdatenspeicherung nicht einfach irgendeine Überwachungsmaßnahme unter vielen ist. Vorratsdatenspeicherung ist die grundsätzliche Abkehr von der Unschuldsvermutung zum Generalverdacht. Sie bedeutet die anlasslose Erfassung, wann wer wo mit wem wie lang mobil telefoniert hat. Sie registriert, wann wer wie lang online war. Inzwischen gibt es Studien, die belegen, dass auf diese Weise erhobene Metadaten keineswegs harmloser Datenmüll sind, sondern fast so viel über den Inhalt verraten, als hätte man ihn auch mitgeschnitten. Anders gesagt: Warum, glauben Sie, sind die Sicherheitsfetischisten von Union und SPD so wild auf diese Daten, wenn sie angeblich völlig harmlos sind?

Ein bisschen Vorratsdatenspeicherung gibt es ebenso wenig wie ein bisschen Schwangerschaft. Wer sie grundsätzlich bekämpft, muss natürlich insbesondere deren Ausweitung bekämpfen, aber das ist allenfalls ein Minimalziel, auf das man sich in größter Not herunterhandeln lässt. Das ist keinesfalls eine Forderung, die man am Anfang erhebt. Wer mit dieser Position in den politischen Diskurs einsteigt, muss damit rechnen, sich im weiteren Verlauf zu einem Kompromiss überreden zu lassen, der die Erweiterung sehr wohl zulässt und gerade einmal die Bedingungen ändert. Im konkreten Fall heißt das: Vorratsdatenspeicherung ist nicht nur zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus OK, sondern auch, um Junkies zu erwischen, die mit einem Wohnungseinbruch ihren nächsten Schuss finanzieren wollen. Dafür stellt man doch gern ein komplettes Volk unter Generalverdacht. Liest man sich die Presseerklärung der d64-Wohnzimmerhelden durch, findet man auch die Erklärung, dass sie vor genau dieser schleichenden Ausweitung immer gewarnt haben. Statt aber konsequent zu bleiben, kommt von d64 eine Erklärung, wie sozialdemokratischer sie nicht sein kann: Man bedient alle. Die Gegner der Vorratsdatenspeicherung bekommen ihren Passus, der vollmundig den Kampf gegen die Überwachung  verkündet. Die Befürworter bekommen ihren Passus, der die vorhandene Überwachung akzeptiert und nur in Feinheiten einige Änderungen vorschlägt. Man versucht, alle Parteien zufrieden zu stellen und sich mit niemandem ernsthaft anzulegen. Der doofe Wähler wird schon nicht merken, dass wir uns auf nichts festnageln lassen.

Doch, merkt er. Er merkt, wenn er für dumm verkauft wird. Parteien, die allen alles versprechen und am Ende nur laue Ausreden haben, warum sie für ein paar schöne Posten ihre Positionen verraten, sind ihnen suspekt. Die CDU mag vielleicht eine Bande böser Buben sein, aber wenigstens sagt sie das ehrlich. Eine Partei, die glaubt, sich mit wuchtig tönendem Wischiwaschi durchschummeln zu können, braucht niemand.

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