Samstag, 1. Juli 2017

Wir brechen die Verfassung, na und?

Man muss keine Juristin sein, um zu erkennen, dass der gerade beschlossene Staatstrojaner verfassungswidrig ist. Zu offensichtlich widerspricht er dem Verfassungsgerichtsurteil, das sehr enge Kriterien für den Einsatz dieses Werkzeugs festlegt:
Gestattet sind präventive staatliche Eingriffe – vor allem die sogenannte Online-Durchsuchung – in dieses Grundrecht nur, wenn tatsächliche Anhaltspunkte einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut bestehen. Überragend wichtig sind Leib, Leben und Freiheit der Person oder solche Güter der Allgemeinheit, deren Bedrohung die Grundlagen oder den Bestand des Staates oder die Grundlagen der Existenz der Menschen berührt. Es muss dabei zwar noch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststehen, dass solch eine Gefahr in näherer Zukunft eintritt, allerdings müssen im Einzelfall bestimmte Tatsachen auf eine solche drohende Gefahr, welche von bestimmten Personen ausgeht, hinweisen.
Was der Bundestag verabschiedete, ist jedoch das komplette Gegenteil, ein recht allgemeiner Katalog verschiedener Straftaten. Ich will an dieser Stelle nicht genau darauf eingehen, wie offensichtlich die Verstöße sind, das hat die "Zeit" schon sehr ausführlich getan. Interessant ist für mich hingegen, dass man bei dieser Form von Rechtsbruch nicht mehr von Zufall sprechen kann. Das ist Absicht.

Bisher war die Strategie der Regierung, mit einem Gesetz vorzupreschen, das ganz offensichtlich gegen die Verfassung verstößt, dann das Karlsruher Urteil abzuwarten, das relativ genau den Rahmen absteckt, bis zu dem man gehen kann und dann eine zweite Version des Gesetzes baut, das haarscharf an dieser Grenze entlang laviert. Allein dieses Vorgehen ist schon eine Unverschämtheit. Gesetze sollten nicht so formuliert sein, dass sie gerade eben so noch legal sind, sondern sie sollten ganz klar im erlaubten Bereich sein. Irgendwer in der Staatskanzlei muss dann wohl etwas genauer hingeschaut und sich gefragt haben, was eigentlich passiert, wenn ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit für nichtig erklärt wird. Die Antwort lautet: nichts weiter.

Nichts weiter. Kein Minister muss zurücktreten, kein Staatssekretär ins Gefängnis, kein Abgeordneter, der dafür gestimmt hat, muss eine Geldbuße zahlen. Die SPD hat 8 von 10 Gesetzen zugestimmt, die später als verfassungswidrig erklärt wurden. Sie verfolgt damit klar verfassungsfeindiche Ziele. Wird sie deswegen vom Verfassungsschutz beobachtet? Wird ihr deswegen die Parteienfinanzierung gestrichen? Läuft ein Parteiverbotsverfahren? Nein, man lässt sie den Bundespräsidenten stellen.

Es passiert nichts weiter. Warum also sollte man ein gerade gekipptes Gesetz also nicht einfach gleich wieder beschließen? Na klar, das Bundesverfassungsgericht wird es wieder kassieren, aber bis dahin vergehen zwei Jahre, in denen wir munter Grund- und Menschenrechte verletzen können, ohne dass es irgendeine Handhabe gäbe, dagegen vorzugehen. Sind die zwei Jahre dann um und das Gesetz für nichtig erklärt, streichen wir einfach das Datum, ersetzen es durch ein neues, beschließen es gleich wieder und haben weitere zwei Jahre Zeit. Wohlgemerkt, wir reden nicht von Diktaturen aus dem vergangenen Jahrhundert. Wir reden nicht von Bananenrepubliken mit durchgeknallten Staatschefs in Fantasieuniformen. Wir reden von der Bundesrepublik im Jahr 2017.

Möglicherweise ist es an der Zeit, GG Artikel 20, Absatz 4 anzuwenden.

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